Emotionales Essverhalten bei Erwachsenen: Essstörung oder doch nur eine Diät?

Nora Stankewitz

Machen Diäten Essprobleme bei Erwachsenen?

 

 

Fast 60 Prozent der Befragten einer Umfrage zum Thema Diätverhalten, gaben an im Jahr 2020 mindestens eine Diät ausprobiert zu haben. Diese Umfrage war repräsentativ. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Über die Hälfte der Deutschen haben allein 2020 mindestens eine Diät gemacht. Sicher, eine Diät macht noch keine Essstörung. Doch es zeigt ganz deutlich, wie groß die Sehnsucht der Menschen danach ist, ihren Körper zu verändern, Gewicht zu verlieren, dünner zu werden oder Muskeln aufzubauen. Ganz egal, in welchem Gewichtsbereich sich jemand zum jeweiligen Zeitpunkt befand. Und vor allem auch: Egal wie alt sie sind. Fragt man Betroffene einer Essstörung danach, wie sie selbst beurteilen würden, wann ihre Essstörung begonnen hat, antworten viele damit, mit wie viel Jahren sie ihre allererste Diät gemacht haben.

Diäten führen nicht zwangsläufig in eine Essstörung. Doch gerade für Menschen, die verunsichert sind, Selbstwertmangel erleben, Menschen, die sich nach Anerkennung sehnen und generell Menschen, die sich in einer vulnerablen Phase befinden, sind die Diätversprechen verlockend. Nicht selten bleibt es bei einer Diät. Und damit ist oftmals schon ein gestörtes Verhältnis zu Essen etabliert.

Statistiken zu Essstörungen

Die neuesten statistischen Zahlen zu Magersucht und Bulimie stammen aus dem Jahr 2018. In diesem Jahr wurde bei 7.218 Menschen die Diagnose Anorexia Nervosa gestellt. 65 Menschen sind an einer Essstörung im Jahr 2018 gestorben. Nach der repräsentativen Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland leiden 1,1 % der Frauen in Deutschland allein unter Magersucht. Das klingt wenig. Doch es sind 462.000 erwachsene Frauen. Jetzt in diesem Moment. Darin fehlen die noch minderjährigen Frauen. Und all jene Frauen, die eine atypische Essstörung vorweisen, unter Bulimie, der Binge-Eating-Störung oder Orthorexie leiden.
Bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen habe ich folgende Angabe gefunden: 11 Prozent der Frauen leiden unter einer nicht näher bestimmten Essstörung. Diese Zahl stammt aus einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2016. 11 Prozent, das entspricht für Deutschland über 9 Millionen Menschen. 9 Millionen Menschen, die sich danach sehnen, ihren Körper dünner zu machen, kleiner zu werden, die jeden Tag damit zu kämpfen haben, wer sie sind, was sie aus ihrem Leben machen sollen und wie sie ihre Gefühle taub stellen können.

Mittlerweile gibt es außerdem neue Zahlen aus den Corona-Jahren 2020 und 2021 zum Thema Essstörungen und Menschen, die Symptome einer Essstörung aufweisen. Gerade unter den Jugendlichen und jungen erwachsenen Frauen sind die Zahlen um 30 Prozent angestiegen.

Symptome von Essstörungen bei Erwachsenen

Selbst betroffen?
Zu den Symptomen einer Essstörung gehören:

  • ständiges Sorgen um Gewicht und Essen,
    Nahrungsverweigerung oder unkontrollierte Essanfälle,
    heimliches Essen,
  • Panik vorm Zunehmen,
  • Ablehnen des eigenen Körpers,
  • hoher Leidensdruck

Die Diagnosen für Magersucht, Bulimie und die Binge Eating Störung unterscheiden sich dabei natürlich. Die einzelnen Diagnosekriterien können hier angeschaut werden:
Anorexia nervosa
Bulimia Nervosa
Binge-Eating-Störung

Worauf ich hier unbedingt hinweisen will, ist, dass es natürlich Diagnosekriterien geben muss, um Betroffenen die möglichst beste Behandlung zukommen zu lassen. Doch auch wenn nicht alle Kriterien einer Essstörung erfüllt sind, sollten psychische Probleme, die über ein gestörtes Essverhalten kompensiert werden, unbedingt behandelt werden. Zu schnell kann sich aus einem Diätzwang ein langwieriges psychisches Leiden entwickeln.

Atypische Essstörungen

 

Problematisch ist auch, dass Menschen mit atypischen Essstörungen oft nicht erfasst und damit auch nicht gesehen werden. Atypisch bedeutet nichts anderes, als das ein Mensch nicht alle Diagnosekriterien einer Erkrankung erfüllt. Das kann beispielsweise die Häufigkeit eines bestimmten Verhaltens sein oder eine BMI-Angabe. Trotzdem ist der Leidensdruck und die Gesundheitsgefährdung genauso gegeben, wie bei einem Menschen hinter den man alle Diagnosehäkchen machen kann. Bitte scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu suchen.

Aber jede Frau fühlt sich doch mal zu dick

 

Tatsächlich wünschen sich sehr viele Frauen, dünner zu sein oder „wären wirklich froh, wenn ich etwas abnehmen könnte“. Das fand auch eine Befragung die von 2016 bis 2020 durchgeführt wurde heraus.
Doch nur weil es viele tun, heißt das noch lange nicht, dass es „normal“ ist oder gar ungefährlich. Sich selbst zu fragen, woher dieser Wunsch dünner zu sein kommt, ist essentiell. Gibt es eine tatsächliche gesundheitliche Dringlichkeit oder stecken Selbstwertprobleme, der Wunsch nach Zugehörigkeit und dein Mangelgefühl dahinter? Seit wann gibt es diesen Wunsch danach, dünn zu sein oder unbedingt bleiben zu müssen? Und wie viel Lebensqualität muss dafür geopfert werden?

Wo fängt eine Essstörung an?

Man könnte auf diese Frage jetzt mit den Diagnosekritierien antworten. Und das hätte seine Berechtigung. Wenn wir den Begriff weiterfassen und uns hinorientieren zu einem guten gesundheitlichen Zustand – physisch wie psychisch würde ich sagen, dass ein gestörtes Essverhalten und ein psychischer Leidensdruck in Bezug auf Essen da anfängt, wo Betroffene beginnen ihr eigenes psychisches Wohlbefinden und ihr Essverhalten zu verknüpfen. Meines Erachtens sollte man hier schon beginnen, Ursachen zu erkennen und Lösungswege zu suchen, um ein schlimmes Leiden zu umgehen.

Essprobleme: Bin ich selbst betroffen?

Diese Fragen können Hinweise darauf geben, ob schon ein gestörtes Verhältnis zu Essen vorliegt, egal ob sämtliche Diagnose-Kriterien erfüllt werden oder nicht:

  1. Überlegen Sie ständig, was Sie als nächstes (nicht) essen?
    Machen Sie sich viele Gedanken und Sorgen, um Ihr Aussehen?
  2. Ist es Ihnen wichtig, ein bestimmtes Gewicht nicht zu überschreiten?
  3. Wiegen Sie sich häufig und regelmäßig?
    Machen Ihren Verabredungen, bei denen auch gegessen werden, Angst oder Sorgen?
  4. Übergeben Sie sich absichtlich?
  5. Nehmen Sie Abführmittel, Diätshakes oder andere freiverkäufliche Abnehmmittel ein?

Was löst eine Essstörung aus?

Auslöser für eine Essstörung können viele unterschiedliche Faktoren sein. Erforscht ist unter anderem, dass es sogar eine genetische Veranlagung für die Entwicklung einer Essstörung gibt. Nichtdestotrotz sind oftmals Erfahrungen in der frühen Kindheit, traumatische Erlebnisse generell und einschneidende psychische Belastungen oder andauernde Erfahrungen von psychischer Gewalt und Überforderung mitauslösende Faktoren einer Essstörung.

Für die Genesung ist es wichtig, sich selbst gut kennenzulernen, vergangene Erfahrungen, die extrem belastend waren, zu erkennen und zu verarbeiten und sich im Hier und Jetzt damit als erwachsene Frau positionieren zu können.

In meiner Arbeit geht es vielmehr um die Integration bestimmter Erlebnisse in die Biografie meiner Klient*innen anstatt darum, sie „wegzumachen“.

Wer oder was ist schuld an Essstörungen?

Wie im oberen Abschnitt schon angerissen. Es gibt individuelle, soziale und biologische Auslöser für Essstörungen. Von Schuld zu sprechen, finde ich gefährlich und unangemessen. Ich denke, es ist niemals so, dass eine bestimmte Person oder Gruppe Schuld daran ist, dass jemand eine Essstörung entwickelt. Dennoch kann man viel dafür tun, damit in der eigenen Familie psychischen Erkrankungen vorgebeugt werden kann. Dazu gehören unter anderem:

  • Offener Umgang mit Gefühlen
  • Alle Gefühle wertzuschätzen
  • Offene Gesprächs- und Streitkultur
  • Gewaltfreiheit – physisch wie psychisch
  • Gemeinsame Esskultur in der Familie
  • Probleme wohlwollend und wertschätzend ansprechen

Kann man eine Essstörung selbst behandeln?

Es ist immer möglich an sich selbst und seiner persönlichen Weiterentwicklung zu arbeiten. Jemand, der nun aber sehr tief in der Symptomatik drinsteckt – restriktives Essen, Essanfälle, Übergeben, etc. – sollte sich zunächst sicher Unterstützung von außen suchen. Allein schon um auch körperliche Schäden abzuwenden. Das kann zum Beispiel eine ambulante oder stationäre Psychotherapie sein.

Viele Menschen mit Themen rund um Körperunzufriedenheit, Essverhalten und Selbstwert kommen ihn meine Systemische Beratung, um ihren Themen hinter einem problembehafteten Körperbild und Essverhalten selbstbestimmt und lösungsorientiert zu begegnen.

Sie leiden unter ihrem emotional belastetem Essverhalten? Dann abonnieren Sie gerne meinen kostenfreien Info-Letter zum Thema „Emotionales Essverhalten verstehen und überwinden“ 

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Ihre
Nora Stankewitz

Nora Stankewitz, Systemische Beratung und Coaching

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