Gedanken um Essen: Wie Sie sich davon befreien können

Gedanken ums Essen: „verbotene Lebensmittel“, Diäten, Intervall-Fasten und Co.
Kreisen Ihre Gedanken ständig ums Essen? Dann führen Sie wahrscheinlich eine mentale Liste mit „verbotenen“ Lebensmitteln oder Lebensmittelgruppen, vielleicht versuchen Sie schon morgens beim ersten Augenaufschlag festzulegen, was Sie heute alles (nicht) essen dürfen. Und vielleicht versuchen Sie auch bestimmte Essenspausen auszuhalten, wie es beim Intervallfasten gemacht wird. Und vielleicht gehören Sie auch zu jenen Frauen, die versuchen eine bestimmte Kalorienzahl pro Tag nicht zu überschreiten.
Je länger und restriktiver Sie an diesen Verboten und Regeln festgehalten haben, desto größer ist jetzt vermutlich die Angst, genau diese Nahrungsmittel zu essen, Ihre Nahrungsmenge zu erhöhen, sich satt zu essen, ihrem Körper zu vertrauen, dass die Signale, die er Ihnen über Hunger und Sättigung sendet zu vertrauen. Diese Angst ist völlig normal und Teil des Prozesses – sich daran festzuhalten wird Sie jedoch auch in dem aktuellen Verhalten festhalten und Ihre Gedanken werden sich weiterhin genau um die Themen Essen, Nicht-Essen, Zunehmen, Abnehmen und die Ängste darum kreisen. Anstatt Essen als etwas völlig Normales wahrzunehmen und in Ihren Alltag zu integrieren und sich aber auch nicht mehr Gedanken um Mahlzeiten, Lebensmittel und Essensregeln zu machen als notwendig.
Die Konsequenzen von ständiger (gedanklicher) Nahrungsmitteleinschränkung
Verstehen Sie einen wichtigen Mechanismus: Solange Sie sich bestimmte Nahrungsmittel verbieten oder Regeln aufrechterhalten (etwa nach dem Verzehr von Pizza besonders viel Sport zu treiben), können Sie sich nicht von diesem schädlichen Essverhalten befreien. Sie bedienen damit immer wieder den alten Kreislauf aus vermeintlicher Belohnung und Bestrafung.
Die Forschungsgruppe um Neurowissenschaftlerin Janet Tomiyama konnte nachweisen, dass Nahrungsrestriktion zu erhöhter Cortisol-Ausschüttung und verstärktem Essverhalten führt – ein biologisch verankerter Schutzmechanismus gegen Hunger. Es handelt sich also nicht um persönliches Versagen, sondern um eine körperliche Reaktion.
Wenn wir dem Essen so viel Macht über unser Befinden geben, bleibt es ein angespanntes Verhältnis. Normalität oder gar Freiheit bleiben unerreichbar.
Lesen Sie dazu auch gerne meinen Beitrag wie Intuitive Ernährung von emotionalem Essen und Körperunzufriedenheit befreien kann.
Selbsteinschätzung: Einen Test um eine erste Einschätzung zu bekommen, ob Ihr Essverhalten auf eine Essstörung hinweist, finden Sie bei ANAD: Testen Sie Ihr Essverhalten. Sowie hier einen Überblick, wann gestörtes Essverhalten schon eine Essstörung ist.
Bedingungslose Erlaubnis zu essen: Der Weg zum intuitiven Essen
Das Konzept des intuitiven Essens, entwickelt von Evelyn Tribole und Elyse Resch, bietet einen befreienden Ansatz. Der Kerngedanke: Durch absolute Lebensmittelfreiheit – also die Erlaubnis, alles zu jeder Zeit essen zu dürfen – kehren wir zu einem natürlichen Hunger- und Sättigungsgefühl zurück.
Dieses natürliche Essverhalten bringen wir als Säuglinge und Kinder bereits mit. Erst durch gesellschaftliche Normen, äußere Einschränkungen und individuelle Erfahrungen geht es verloren. Die Theorie dahinter: Wo keine Verbote existieren, gibt es auch kein übermäßiges Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln, und Restriktion wird überflüssig.
Die wissenschaftliche Evidenz bestätigt diesen Ansatz: Eine Metaanalyse von Linardon et al. (2021) im Journal of Eating Disorders zeigte, dass intuitive Ernährung mit geringeren Essstörungssymptomen, verbessertem Körperbild und höherem psychischem Wohlbefinden korreliert.
In diesem Beitrag erkläre ich, was Intuitiv Essen bedeutet und wie Sie sich zu einem Intuitiven Esserin entwickeln können.
Essprotokolle – hilfreich nur mit professioneller Begleitung
Vielleicht haben Sie schon versucht, sich mit einem Essprotokoll über Ihr Essverhalten Klarheit zu verschaffen: zum Beispiel um weniger zu essen und Gewicht abzunehmen, oder bei restriktivem Essen, um eine eventuelle Magersucht zu überwinden. Häufig werden Essprotokolle auch von Ernährungsberaterinnen empfohlen, um einen besseren Einblick über die Nahrungsaufnahme zu bekommen. Ein Essprotokoll alleine zu führen oder sich selbst einen Essensplan zu erstellen, betrachte ich als Systemische Therapeutin und Beraterin für Intuitive Ernährung kritisch. Gemeinsam mit einer Fachperson kann ein Protokoll jedoch wertvolle Erkenntnisse liefern: Wo genau liegen Ihre Schwierigkeiten? Beim Einkaufen, während des Essens selbst oder beim Erkennen von Sättigungssignalen? Welche Gedanken und Gefühle haben Sie? Vor dem Essen, währenddessen und danach?
Eine ernährungspsychologische Begleitung umfasst immer auch die Reflexion Ihrer Gedanken und Gefühle. Eine erfahrene Therapeutin wird Sie nicht wochenlang akribisch Mengen protokollieren lassen. Der ganzheitliche Blick steht im Vordergrund.
Eine Übersichtsarbeit von Schaefer und Magnuson (2014) im Journal of the Academy of Nutrition and Dietetics belegt, dass integrierte Ansätze, die sowohl ernährungstherapeutische als auch psychologische Komponenten umfassen, die nachhaltigsten Erfolge bei der Behandlung von Essstörungen zeigen.
Gewichtsneutrale Ansätze für eine mehr Gesundheit
Letztendlich geht es darum, Ihren Körper mit allem zu versorgen, was er braucht – unabhängig davon, wo Ihr Körpergewicht auf einem BMI-Tabelle eingeordnet würde. Entgegen der verbreiteten Meinung ist es auch bei höherem Gewicht essentiell, für eine vollwertige Versorgung ohne Restriktion zu sorgen. Lesen Sie gerne hier, meinen Beitrag zu den häufigen Fragen zu intuitiver Ernährung: Abnehmen, Gesundheit und Emotionen.
Die systematische Übersichtsarbeit von Bacon und Aphramor (2011, aktualisiert 2019) konnte zeigen, dass gewichtsneutrale Ansätze wie Health at Every Size® zu verbesserten Gesundheitsparametern führen können, unabhängig von Gewichtsveränderungen. Diese Studien belegen: Gesundheit ist in jedem Körper möglich.
Wenn Ihr Körper über ausreichend Energie verfügt und das Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln nachlässt, schaffen Sie Raum für andere Lebensbereiche.
So können Sie:
- Die Hindernisse angehen, die hinter Ihrem gestörten Essverhalten liegen
- Ihr Leben neu ordnen. Hier ein Beitrag zu Systemischer Therapie bei belastetem Essverhalten
- Ein Umfeld schaffen, in dem es Ihnen seelisch und körperlich gut geht
Gestörtes Essverhalten überwinden: Neue Perspektiven entwickeln
Für meine Arbeit mit Menschen mit und nach einer Essstörung sowie mit Menschen, die sich aus emotionalem Essen befreien wollen, ist mir besonders wichtig: Es ist essentiell, das Essverhalten nicht isoliert zu betrachten, sondern gleichzeitig Perspektiven für das „Leben danach“ zu entwickeln. Denn für viele ist es grade am Anfang eines solchen Prozesses Intuitiv Essen zu lernen schwierig zu verstehen, wofür es sich lohnt, den Körper besser zu versorgen, manchmal auch Gewichtsveränderungen zuzulassen (gerade bei Essstörungen wie Magersucht oder Binge-Eating-Disorder) oder körperliche Veränderungen zu akzeptieren.
Die Genesung von Essstörungen, das Überwinden von emotionalem Essen und Körperunzufriedenheit, das Befreien von Food Noise, den ständigen Gedanken an Essen verstehe ich als integrativen Prozess:
- Gute körperliche Versorgung führt zu mehr Kraft
- Mehr Kraft ermöglicht die heilsame Auseinandersetzung mit Problemen
- Diese Auseinandersetzung befähigt uns, Zukunftsperspektiven zu entwickeln
- Mit einer Perspektive lohnt es sich, den Körper gut zu versorgen
So entsteht eine positive Aufwärtsspirale hin zu einem gesunden Leben.
Was können Sie dafür tun, dass Ihre Gedanken nicht mehr ständig um Essen kreisen?
Die Antwort ist ebenso einfach wie herausfordernd:
- Essen Sie
Denken Sie an Essen? Dann essen Sie. Warten Sie nicht, bis Sie entweder nicht mehr essen können oder einen Essanfall bekommen. Haben Sie Lust auf ein Eis? Gehen Sie los und essen Sie ein Eis. Haben Sie richtigen Hunger? Essen Sie sich satt. Das klingt jetzt ein bisschen banal und es ist klar, so einfach ist es nicht, sonst würden Sie nicht schon Jahre in dieser Dauerschleife aus Gedanken ums (Nicht)-Essen festhängen. Und genau das führt mich zu Punkt 2.
- Finden Sie passende Unterstützung
Wenn Sie oben schon bemerkt haben, alleine habe ich das bisher nicht geschafft, dann erlauben Sie sich unbedingt eine professionelle Unterstützung, die zu Ihrer persönlichen Situation passt.
- Schauen Sie sich gerne meine Angebote für Menschen mit einem belasteten Essverhalten an
- abonnieren Sie meine einwöchige kostenfreie E-Mail-Serie zum Thema „Wie Sie das Gedankenkarussell um Essen und die Angst zuzunehmen verlassen“
- informieren Sie sich bei der offiziellen Stelle für zertifizierte Intuitiv-Essen-Beraterinnen im deutschsprachigen Raum
Der Weg zur Essensfreiheit: Nie wieder Hunger oder Diäten
Meine Erfahrung mit all meinen Klientinnen zeigt: Je konsequenter Sie Ihrem Hunger und auch Ihren Gelüsten nachgeben, desto weniger werden Sie von den permanenten und belastenden Gedanken ums Essen geplagt. Wenn Ihr Körper und Geist darauf vertrauen können, dass am nächsten Tag wieder etwas zu essen da sein wird, verlässt Ihr Gehirn den ständigen „Hungermodus“ und setzt Kapazitäten für andere Lebensbereiche frei.
Dieser Weg ist keineswegs leicht. Doch er birgt das Potenzial, Sie zur wahren Essensfreiheit zu führen – vorausgesetzt, Sie setzen sich auch mit den tieferliegenden Themen auseinander, die hinter Ihrem Essverhalten stehen.