Sie stehen vor dem Spiegel und der vertraute Gedanke schleicht sich ein: „Nur noch zwei Kilo weniger, dann …“ Kalorienzählen ist längst Routine geworden, die Waage eine tägliche Richterin über Ihren Wert, und ständig kreisen die Gedanken ums Essen. Kennen Sie das?
Sehr viele Frauen machen sich jeden Morgen genau diese Gedanken. In meinen Beratungen höre ich diese Gedanken fast täglich. Und ehrlich gesagt, ich kenne sie auch aus meiner eigenen Vergangenheit.
Aber wann überschreitet ein belastetes Essverhalten oder bloß eine Diät die Grenze zu einer Essstörung? Wann wird der vermeintlich harmlose Wunsch nach Gewichtsabnahme zu einem gefährlichen Zwang, der unser Leben bestimmt?
Als Systemische Therapeutin begleite ich Frauen auf Ihrem Weg von Ängsten bezüglich ihres Körpers hin zu mehr Körpervertrauen. Und ich kann Ihnen versprechen: Sie sind nicht allein mit diesen Gedanken.
Diäten haben Hochkonjunktur
Fast 60 Prozent der Befragten einer repräsentativen Umfrage gaben an, im Jahr 2020 mindestens eine Diät ausprobiert zu haben. Also: Über die Hälfte aller Deutschen haben allein 2020 mindestens eine Diät gemacht. Egal, wie viel sie wogen. Egal, ob sie 25 oder 65 Jahre alt waren.
Was mich dabei besonders betroffen macht: Wenn ich Frauen in meinen Beratungen frage, wann ihr Leiden mit dem Essen begann, bekomme ich oft diese Antwort: „Mit meiner allerersten Diät.“ Manchmal waren sie da gerade mal 12 Jahre alt. Es sollte uns als Gesellschaft wirklich zum Umdenken bewegen, wenn wir doch wissen, dass zwar nicht jede Diät in eine Essstörung führt, jedoch fast jede Essstörung mit einer Diät beginnt.
Der schleichende Übergang: Wenn Diäten zur Falle werden
Nicht jede Diät führt automatisch in eine Essstörung. Das wäre zu einfach gedacht. Aber in meiner Arbeit sehe ich immer wieder, dass bestimmte Menschen besonders gefährdet sind: Menschen, die gerade eine schwere Zeit durchmachen. Die sich wertlos fühlen. Die nach Anerkennung suchen. Die das Gefühl haben, nichts in ihrem Leben unter Kontrolle zu haben – außer vermeintlich das, was sie essen.
Wir sprechen hier also von jungen Menschen in der Pubertät, von Menschen, in Übergängen zum Beispiel nach der Schule, mit kleinen Kindern, in Trennungen, in den Wechseljahren, nach Verlusten. Diese Liste ist endlos und zeigt, wir alle durchleben immer wieder vulnerable Phasen. Und wir alle möchten uns dann wieder Halt verschaffen.
Für diese Menschen sind Diätversprechen wie ein Rettungsanker in stürmischer See. Es fühlt sich an, wieder etwas in die Hand zu nehmen, wenn andere Lebensbereiche schwierig zu bewältigen sind. Diätversprechen suggerieren, dass es ganz einfach sei, viele Kilos zu verlieren und sich mit jedem abgenommenen Gramm besser zu fühlen. Ist das Zielgewicht erreicht, ist man ein glücklicher, erleichterter Mensch, dem alles zugeflogen kommt. Das war die zynische Kurzversion der Diätkultur. Denn das ist natürlich nicht wahr.
Unsere Probleme brauchen auch mit weniger Kilos Zuwendung, die reine Ablenkung über eine körperliche Veränderung kann dabei kaum hilfreich sein. (Achtung: ich spreche hier nicht von einer sinnvollen Selbstzuwendung z.B. durch mehr Bewegung im Alltag, dem Hinzufügen von hilfreichen Lebensmitteln, dem Entdecken von Mode etc.)
Und dann passiert etwas Tückisches: Es bleibt nicht bei einer Diät. Denn anfängliche Abnehmerfahrungen suggerieren, dass Diäten funktionieren würden und lassen uns genau solch ein Hochgefühl erleben.
Doch auch die Gewichtsstagnation und die Rückkehr zum Ausgangsgewicht sind Teil des Wirkungsprozesses von Diäten. Und plötzlich ist da ein gestörtes Verhältnis zu Essen – schleichend, fast unbemerkt. Betroffene schreiben sich selbst zu, Schuld am Misserfolg zu sein, was mit Nichten so ist. Das Selbstwertgefühl leidet noch mehr, als vor der Diät und der Kreislauf beginnt oftmals von vorne.
Zahlen zu Essstörungen
- 2023 erhielten 9.200 Menschen diese Diagnose Magersucht
- rund 33,6 Prozent der Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren weisen Symptome einer Essstörung auf (Robert-Koch-Institut 2017) – diese Zahl dürfte bis heute (seit Corona) um einiges gestiegen sein
- 65 Menschen sind 2018 an einer Essstörung gestorben
Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen spricht von 11 Prozent aller Frauen, die unter einer „nicht näher bestimmten Essstörung“ leiden. Das klingt so abstrakt, oder? Dahinter stehen über 9 Millionen Menschen. 9 Millionen Menschen, die jeden Tag damit kämpfen, wer sie sind und wie sie sich in ihrem eigenen Körper zu Hause fühlen können.
Was mich besonders bewegt: In den Corona-Jahren 2020 und 2021 sind die Zahlen bei jungen Frauen um 30 Prozent gestiegen. Was nur ein Beispiel dafür ist, dass gerade Menschen in vulnerablen Phasen besonders gefährdet sind.
Symptome von Essstörungen bei Erwachsenen: Bin ich von einer Essstörung betroffen?
Körperliche und psychische Anzeichen:
✓ Ständiges Sorgen um Gewicht und Essen
✓ Nahrungsverweigerung oder unkontrollierte Essanfälle
✓ Heimliches Essen
✓ Angst vor und Panik bei Gewichtszunahme
✓ Ablehnung des eigenen Körpers
✓ Hoher Leidensdruck
Verhaltenscheck: Treffen diese Aussagen auf Sie zu?
- Ich überlege ständig, was ich als nächstes (nicht) essen soll
- Ich mache mir viele Gedanken und Sorgen um mein Aussehen
- Es ist mir wichtig, ein bestimmtes Gewicht nicht zu überschreiten
- Ich wiege mich häufig und regelmäßig
- Verabredungen mit Essen machen mir Angst oder Sorgen
- Ich übergebe mich absichtlich
- Ich nehme Abführmittel, Diätshakes oder andere Abnehmmittel ein
Wenn Sie mehrere Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, sollten Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Atypische Essstörungen: Die übersehene Realität vieler Frauen
Hier wird es für mich als freiarbeitende Therapeutin besonders wichtig, weil ich erlebe, wie viele Frauen mit belastetem Essverhalten durch alle Raster fallen. Sie kommen zu mir und sagen: „Aber ich bin doch nicht dünn genug für eine Magersucht“ oder „Ich übergebe mich ja nicht jeden Tag, also kann es keine Bulimie sein.“
„Atypisch“ bedeutet einfach: Sie erfüllen nicht alle Punkte auf der offiziellen Checkliste. Vielleicht sind die Essanfälle nicht häufig genug. Vielleicht liegt Ihr BMI noch im sogenannten „normalen Bereich“. Vielleicht sieht man Ihnen von außen nichts an.
Aber Ihr Leiden ist genauso real. Ihr Kampf ist genauso schwer. Und Sie verdienen genauso Hilfe und Verständnis wie jede andere Betroffene auch.
Falls Sie sich in dieser Beschreibung wiederfinden: Bitte zögern Sie nicht, sich Unterstützung zu holen. Ihr Schmerz ist valide, auch wenn er nicht in jede Schublade passt.
„Aber jede Frau fühlt sich doch mal zu dick!“
Tatsächlich wünschen sich sehr viele Frauen, dünner zu sein oder „wären wirklich froh, wenn ich etwas abnehmen könnte“. Das fand auch eine Befragung die von 2016 bis 2020 durchgeführt wurde heraus.
Doch nur weil es viele tun, heißt das noch lange nicht, dass es „normal“ ist oder gar ungefährlich. Sich selbst zu fragen, woher dieser Wunsch dünner zu sein kommt, ist essentiell. Gibt es eine tatsächliche gesundheitliche Dringlichkeit oder stecken Selbstwertprobleme, der Wunsch nach Zugehörigkeit und dein Mangelgefühl dahinter? Seit wann gibt es diesen Wunsch danach, dünn zu sein oder unbedingt bleiben zu müssen? Und wie viel Lebensqualität muss dafür geopfert werden?
Wo fängt eine Essstörung wirklich an?
Ich könnte Ihnen jetzt nur die offiziellen Diagnosekriterien aufsagen – doch das hilft Ihnen vielleicht nicht weiter.
Aus meiner Erfahrung heraus beginnt ein belastetes Essverhalten, ein gestörtes Essverhalten, eine Ess-Störung dann wenn eine Frau anfängt zu denken: „Wenn ich nur X Kilo wiegen würde, dann wäre ich glücklich, erfolgreich, liebenswert.“ Dann, wenn das Essen und der Körper zum Maßstab für den eigenen Wert werden, ist das Verhältnis zu Essen so belastet, dass es schwierig wird, Essen im Alltag einfach zu integrieren.
Hier sollten alle Alarmglocken läuten. Nicht erst, wenn alle Diagnosekriterien erfüllt sind. Nicht erst, wenn Sie laut BMI-Tabelle im unteren oder oberen Bereich sind, sich täglich übergeben oder ihre rote Liste für Lebensmittel unendlich lang ist.
Sondern genau dann, wenn Sie merken: Mein Essverhalten bestimmt meine Stimmung. Mein Gewicht bestimmt meinen Wert als Mensch.
Das sage ich nicht, um Ihnen Angst zu machen. Sondern weil frühe Hilfe so viel bewirken kann. Weil Sie nicht warten müssen, bis es „schlimm genug“ ist.
Die Diagnosen für Magersucht, Bulimie und die Binge Eating Störung unterscheiden sich. Die einzelnen Diagnosekriterien können hier angeschaut werden:
Anorexia nervosa
Bulimia Nervosa
Binge-Eating-Störung
Risikofaktoren sind vielfältig: Was löst eine Essstörung aus?
Biologische Faktoren:
- Essstörungen bei nahen Angehörigen
Psychische Faktoren:
- Erfahrungen in der frühen Kindheit
- Traumatische Erlebnisse
- Einschneidende psychische Belastungen
- Andauernde psychische Gewalt und Überforderung
Schutzfaktoren für psychische Gesundheit:
- Offener Umgang mit Gefühlen – alle Emotionen sind wertvoll
- Konstruktive Gesprächs- und Streitkultur
- Gewaltfreie Kommunikation – physisch wie psychisch
- Gemeinsame, entspannte Esskultur
- Wertschätzender Umgang mit Problemen
Kann man eine Essstörung selbst behandeln?
Es ist immer möglich an sich selbst und seiner persönlichen Weiterentwicklung zu arbeiten. Jemand, der nun aber sehr tief in der Symptomatik steckt – restriktives Essen, Essanfälle, Übergeben, etc. – sollte sich zunächst Unterstützung von außen suchen. Allein schon um auch körperliche Schäden abzuwenden. Das kann zum Beispiel eine ambulante oder stationäre Psychotherapie sein.
Viele Menschen mit Themen rund um Körperunzufriedenheit, Essverhalten und Selbstwert kommen ihn meine Systemische Beratung, um ihren Themen hinter einem problembehafteten Körperbild und Essverhalten selbstbestimmt und lösungsorientiert zu begegnen.
Egal wie schwer Ihre Symptome aktuell sind, es ist immer ratsam, sich bei einem gestörten Essverhalten professionelle Begleitung zu suchen. Jede*r Therapeut*in wird Ihnen bei schweren Symptomen immer auch die Behandlung bei einer Ärztin und bei einer Ernährungsberatung empfehlen – im Bestfall einer, die gewichtsneutral arbeitet und sich mit dem Konzept der intuitiven Ernährung auskennt.
Mein systemischer Ansatz: Warum ich ein bisschen anders arbeite
In meinem Raum für Systemische Beratung kombiniere ich meine Expertise als Systemische Therapeutin und meine Haltung als zertifizierte Beraterin für intuitives Essverhalten. Ich schaue nicht auf die Waage oder darauf, was Sie essen. Stattdessen frage ich: „Was erzählt mir Ihr Essverhalten über Ihr Leben?“
In all den Jahren meiner Arbeit habe ich noch keine Frau kennengelernt, deren „Essproblem“ wirklich nur ein Essproblem war. Da steckt sehr häufig eine Geschichte dahinter, die gehört werden will.
Gemeinsam schauen wir uns an:
- Welche unausgesprochenen Bedürfnisse Sie vielleicht über das Essen zu erfüllen versuchen
- Welche Lebensbereiche aus dem Gleichgewicht geraten sind (und wofür)
- Wie Sie wieder einen liebevollen, friedlichen Umgang mit Ihrem Körper finden können
Was ich Ihnen versprechen kann: Wir werden nicht nur daran arbeiten, dass Sie „normal“ essen. Sondern daran, dass Sie sich in Ihrem Leben und in Ihrem Körper wieder zu Hause fühlen.
Ein persönliches Erstgespräch: Lassen Sie uns schauen, was wirklich hilft
Jede Frau, die zu mir kommt, ist anders. Jede Geschichte ist einzigartig. Deshalb gibt es auch nicht die eine Lösung für alle.
In einem ersten Beratungstermin nehmen wir uns die Zeit, herauszufinden, was für Sie wirklich passt. Manchmal reicht schon dieses eine Gespräch, um Klarheit zu bekommen. Manchmal ist es der Beginn einer längeren Reise.
Was Sie erwartet:
✓ Ein Gespräch auf Augenhöhe, ohne erhobenen Zeigefinger
✓ Professionelle Einschätzung
✓ Klarheit darüber, ob und welche Art der Unterstützung sinnvoll ist
✓ Raum für alle Ihre Fragen und Zweifel
✓ Gewichtsneutralität
Was Sie nicht erwartet: Dass ich Ihnen erzähle, Sie müssten sich nur zusammenreißen oder eine neue Diät ausprobieren. Das haben Sie sicher schon oft genug gehört.
Sie verdienen es, sich in Ihrem eigenen Körper zu Hause zu fühlen. Und Sie verdienen Unterstützung auf diesem Weg – ohne sich diese erst „verdienen“ zu müssen.