Fach-Expertise und Klientinnen: Intuitiv Essen Erfahrungen
Wie Intuitiv Essen aussehen kann: So erleben es meine Klientinnen
Vielleicht belasten Sie der ständige Wunsch abzunehmen oder dünner sein zu wollen, Essensregeln, das ständige Kalorienzählen oder die endlosen Gedanken ums Essen mehr, als Sie Energie dafür aufbringen möchten. Vielleicht sehnen Sie sich nach mehr Leichtigkeit im Umgang mit Essen – aber der Gedanke, wirklich auf Ihren Körper zu hören, fühlt sich unsicher an. Vielleicht sind Sie neugierig, welche Erfahrungen andere schon gemacht haben mit dem Intuitiven Essen.
Diese Unsicherheit ist vollkommen verständlich, ebenso wie der Wunsch sich nicht mehr an äußere Essensregeln halten zu müssen. Schließlich wurden uns jahrzehntelang externe Regeln als einziger Weg zu „gesunder Ernährung“ verkauft. Doch es gibt einen anderen Weg: Intuitiv essen lernen bedeutet, sich wieder einzulassen auf die inneren Signale des eigenen Körpers (z.B. ein Ziehen im Magen), ihnen zu vertrauen (z.B. ich habe Hunger) und daraus Handlungen abzuleiten (z.B. ich esse jetzt meine mitgebrachte Stulle, weil die Mittagspause noch über eine Stunde hin ist).
Als systemische Therapeutin und Expertin für intuitive Ernährung möchte ich Ihnen zeigen, was intuitives Essen bedeuten und wie individuell intuitives Essverhalten aussehen kann – jenseits der Mythen und Missverständnisse, die darüber kursieren und anhand echter anonymisierter Fallbeispiele aus meiner Praxis.
Ganz kurz gefasst vorneweg: Was bedeutet Intuitives Essen, Intuitive Ernährung und Intuitive Eating überhaupt?
Was ist intuitives Essen überhaupt?
Intuitives Essen oder englisch nach den Begründerinnen Evelyn Tribole un Elyse Resch „Intuitive Eating“ ist kein neuer Trend oder eine versteckte Diät. Es ist die Art, wie wir alle als Kinder gegessen haben – bevor sich erlernte und abgeschaute Essensregeln und -verbote sprichwörtlich über dieses innere Gespür für unseren Körper gelegt haben. Das Konzept wird seit über 20 Jahren wissenschaftlich untersucht und seine Wirksamkeit wurde in über 120 Studien bestätigt.
Intuitiv-Essen-Erfahrungen: drei Beispiele aus der Praxis
Mehr als nur müde - Wie Frau R. lernte, nicht nur andere zu nähren
Frau R. kam mit 45 Jahren zu mir in die Beratung. Sie berichtete mir, dass sie schon immer irgendwie mit ihrem Körper zu kämpfen hatte, dass sie sich immer schon zu dick fand. Sie merkte, dass dieses Thema ihr so viel Energie raubte bei ihrem sehr vollen Alltag, dass sie es einfach nicht mehr aushielt. Sie hatte das Gefühl, wenn sie das jetzt nicht endlich in den Griff bekäme, würde sie unter dieser Last zusammenbrechen.
Frau R. ist Mutter eines Kindes und lebt in einer Partnerschaft. Sie hat einen Vollzeitberuf und organisiert den Familienalltag. Ihr Leben war geprägt von ständiger Fürsorge für andere – bei wenig Schlaf pro Nacht, häufigen nächtlichen Unterbrechungen durch ihr Kind und Arbeiten bis spätabends, sobald das Kind im Bett war.
Das Paradox des Dauerhungers
Sie beschrieb mir ihr Essverhalten so: Sie würde sehr viel zwischendurch essen und Essen suchen, darunter sei auch sehr viel Schokoladiges und überhaupt Süßes oder schnelle Snacks unterwegs. Als ich sie danach fragte, ob sie sonst volle Mahlzeiten isst, ob sie Frühstück, Mittag und Abendessen isst und sich satt isst, war sie erstaunt – denn sie musste das verneinen.
In weiteren Sitzungen stellte sich heraus, dass hinter dem ständigen Snacken ein grundlegender Mangel stand: Frau R. nährte ihren Körper nie richtig. Sie frühstückte nie, obwohl sie morgens großen Hunger hatte. Ihre Mahlzeitenstruktur war praktisch nicht existent, während sie gleichzeitig ständig nach Süßigkeiten suchte.
„Ich merkte, dass ich morgens eigentlich großen Hunger hatte“
Wir starteten damit, dass Frau R. nochmal genau in ihrem Alltag überprüfte, wann sie eigentlich was brauchte. Wir arbeiteten daran, innere Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und sich dann auch Stück für Stück daran anzunähern, auch tatsächlich zu essen, wenn sie hungrig war.
Bei den Übungen zu Hungersignalen stellte sie dann fest:
„Ich merkte, dass ich morgens eigentlich großen Hunger hatte, aber niemals gegessen hatte.“
So veränderte sich langsam ihre Mahlzeitenstruktur. Sie aß mehrere volle Mahlzeiten und – ganz wichtig – hatte die Erlaubnis, trotzdem Süßigkeiten zu essen, wenn ihr danach war. Es zeigte sich aber, dass ihr Konsum von schokoladenhaltigen Lebensmitteln und Süßigkeiten weniger wurde, ohne dass sie sich dazu gezwungen hatte, denn es war immer alles erlaubt. Sie hatte einfach einen geringeren Bedarf, dachte seltener an Süßigkeiten zwischendurch. Kürzlich stellte sie fest, dass sie noch Süßigkeiten zu Hause hatte, die sie überhaupt nicht „gebraucht“ hatte.
Emotionales Essen als Hilfeschrei
Frau R. nahm dann auch an meinem therapeutisch begleiteten Gruppenprogramm teil, in dem sie feststellen konnte, dass sie ein sehr emotionales Essverhalten hatte. Das heißt, wenn sie in für sich sehr schwierigen Situationen war – meistens Situationen, in denen sie wütend, traurig und hilflos war – griff sie zu Süßigkeiten und aß sie auch in Mengen, nach denen sie sich körperlich wirklich schlecht fühlte, ihr übel war, sie Bauchschmerzen hatte. Danach fühlte sie sich wieder schlecht gegenüber ihrem Körper und putzte sich mit negativen Selbstgesprächen runter.
Der systemische Blick auf das Selbstverständnis
Es folgte eine intensive Phase der systemischen Therapie, in der wir viel an ihrem Selbstverständnis arbeiteten und daran, wie sie eigentlich ihre Beziehung zu Hause gestalten möchte. Wir unternahmen auch Exkursionen in ihre Kindheit, wo wir sehen konnten, mit welchen Ideen über sich sie auch schon als Kind konfrontiert war. Diese konnten wir mit hypnosystemischen Methoden entspannen und negative Glaubenssätze über sich selbst auflösen.
„Ich möchte nicht mehr diejenige sein, die alle zusammenhält“
Eine wichtige Erkenntnis für Frau R. war: Sie möchte nicht mehr diejenige sein, die alle überall und in jedem Kontext zusammenhält. Sie möchte auch sich in Beziehungen mal entspannen, auch sie möchte mal diejenige sein, die sich in das Netz fallen lässt, die aufgefangen wird und nicht immer nur die sein muss, die trägt.
Leben heute – Verständnis statt Bestrafung
Nach etwa zwei Jahren gemeinsamer Arbeit ist Frau R. heute eine intuitive Esserin, auch wenn sie immer mal wieder Phasen von emotionalem Essen erlebt. Aber sie bestraft sich nicht mehr dafür und geißelt sich danach nicht mit neuen Diäten, sondern reagiert verständnisvoll. Wir besprechen das Thema und schauen, was es hier noch zu tun gibt oder ob es vielleicht auch in Ordnung ist, dass sie ab und zu emotional isst.
Ihr Körper hat sich so verändert, dass sie immer noch die gleichen Kleidungsstücke tragen kann, sich aber insgesamt wohler und zu Hause in ihrem Körper fühlt. Sie spürt, dass sie ihren Körper annehmen und akzeptieren kann.
Frau R. kommt heute ab und an noch zu mir und wir besprechen vor allem Themen aus ihrem inneren Erleben und wie sich das in ihren äußeren Umständen zeigt. Wir schauen, was davon für sie so bleiben kann und was davon noch verändert werden darf. Von der erschöpften Mutter, die sich mit Süßigkeiten durch den Tag kämpfte, zu einer Frau, die sich selbst nähren kann und verständnisvoll mit sich umgeht – das zeigt, wie intuitives Essen und systemische Arbeit ineinandergreifen.
Nicht-Essen als Bestrafung: Wie Frau S. lernte sich wieder sicher zu fühlen
Frau S. war 30 Jahre alt, als sie das erste Mal in meine Beratung kam. Wenige Wochen zuvor war sie aus einem klinischen Setting entlassen worden, nachdem sie dort und zuvor ambulant wegen einer atypischen Magersucht behandelt worden war. Ihre Geschichte mit dem Essen reichte bis in die frühe Kindheit zurück – sie beschrieb sich selbst als dickes Kind, das schon damals unter Mobbing in der Schule litt und sich nichts sehnlicher wünschte, als endlich dünner zu sein.
Es gelang ihr auch immer wieder, mit klassischen Diäten Gewicht abzunehmen, doch die Angst vor der Zunahme, doch noch wieder dick zu werden, begleitete sie konstant. Ein intuitives Essverhalten konnte sie nie entwickeln. Besonders belastend: Sie erinnerte sich überhaupt nicht mehr an ihre frühesten Jahre – weder wie ihr Essverhalten dort war, noch wann und weshalb sie eigentlich zugenommen hatte, denn dick war sie nicht schon immer gewesen.
Das tägliche Gedankenkarussell
Frau S. schilderte mir ihre Hauptprobleme sehr konkret: Sie machte sich permanent Gedanken ums Essen. Schon morgens beim Aufwachen kreisten ihre Gedanken darum, ob sie heute zunehmen würde, wenn sie bestimmte Lebensmittel essen würde, auf die sie Lust hatte. Sie wog sich täglich, manchmal sogar mehrere Male am Tag. Obwohl sie nicht im starken Untergewicht war, litt sie unter ausgeprägten Essstörungssymptomen.
Ihr Leben war gefangen in einem Teufelskreis aus Angst vor Zunahme, sich das Essen verbieten, in schwierige emotionale Situationen zu geraten und sich dann wieder essen zu verbieten. Dieser Konflikt blockierte nicht nur ihr Essverhalten, sondern ihr gesamtes Leben: Sie hatte einen Kinderwunsch, wollte in ihrer Beziehung offener sein können, wollte wieder Intimität zulassen. Doch das war ihr unmöglich, solange sie in diesem Essverhalten gefangen war und der dahinterliegende Konflikt nicht befriedet werden konnte.
„Niemand außer mir kann das Problem lösen“
Obwohl Frau S. aus den bisherigen therapeutischen Settings viel mitnehmen konnte, hatte sich ihr konkretes Essverhalten nie verändert. Ihre Ängste waren einfach zu groß – die Angst vor Kontrollverlust, die Angst vor dem Dickwerden, die Angst vor Gewichtszunahme waren zu übermächtig, um echte Schritte zu wagen.
Als ich sie fragte, wie es dazu kam, dass sie aus dem klinischen Setting nochmal in ein ambulantes Angebot wechselte – was ja sehr stark auf Eigenarbeit basiert und erfordert, dass sie als Klientin aktiv etwas tun würde – beschrieb sie mir ihren Schlüsselmoment:
Mit der Entlassung aus der Klinik wurde ihr klar, dass niemand außer ihr selbst etwas dafür tun können wird, dass sich etwas verändert.
Sie hatte Therapie bisher so verstanden, dass jemand etwas mit ihr macht, möglicherweise sogar außerhalb ihres Kontrollbereichs, und dass jemand in ihr etwas verändern könne, sodass sich ihr Verhalten wie automatisch verändern könnte. Zu verstehen, niemand außer ihr kann das Problem lösen, doch sie könnte sich vielleicht doch nochmal Unterstützung holen – das war für sie der Moment, wo sie es noch einmal anders probieren wollte.
Der Weg durch alle 10 Prinzipien Intuitiver Ernährung – und zwar systemisch
In unserer gemeinsamen Arbeit mit systemischer Therapie und intuitiver Ernährung arbeiteten wir an Frau S.s Wunsch, eine unabhängige Frau zu sein und kindliches Verhalten abzulegen. Parallel durchliefen wir systematisch alle Prinzipien der intuitiven Ernährung:
Wir begannen mit Prinzip 1 – Diätmentalität erst mal verstehen, wütend darüber werden und sie dann auch nach und nach hinterfragen und Stück für Stück ablegen. Von dort arbeiteten wir uns durch das Erlernen der inneren Hunger- und Sättigungssignale bis hin zum Thema emotionales Essen – oder auch emotionales Nicht-Essen anders zu bewältigen als eben mit dem Einsatz von Essen oder eben Nicht-Essen als Bestrafung.
Frau S. entdeckte neue Wege für den Umgang mit emotional sehr schwierigen Situationen. Sie verstand immer mehr, wer sie eigentlich ist, wer sie sein möchte, was sie ausmacht. Zentral war auch das Akzeptieren dessen, wer sie als Frau ist und wie sie in der Partnerschaft sein möchte, wie sie ihrem Elternhaus gegenüberstehen möchte.
Wir integrierten Bewegung wieder als Spaß und Freude (Prinzip 9) und kamen erst dann zu Prinzip 10: Wie ernähre ich mich? Was schmeckt mir? Was schmeckt mir eigentlich gar nicht? Was möchte ich und was ist auch wichtig, dass ich es integriere, um mich komplett ausgewogen ernähren zu können? Wann bin ich eigentlich satt und wo beginnt eigentlich mein Hunger schon?
Besonders herausfordernd war die Arbeit mit Gefühlen: Wie gehe ich mit den Gefühlen um, wenn ich merke, dass ich zugenommen habe, zum Beispiel an der Kleidung? Wie schaffe ich es zu akzeptieren, dass mein Körper eigentlich ein größerer Körper ist als der, den ich jetzt gerade habe?
Der lange Atem systemischer Arbeit
Dieser Prozess dauerte insgesamt drei Jahre. Ich möchte hier betonen, dass die Länge der Beratung wirklich lang war, der Fall aber auch besonders schwierig – Frau S. kam aus einer Magersucht. Diese Zeitspanne zeigt, wie tiefgreifend die Arbeit war und wie viele Lebensbereiche wir parallel bearbeiten mussten.
Leben heute – frei und selbstbestimmt
Heute checkt Frau S. nur noch ab und zu bei mir ein, um bestimmte Themen zu besprechen, die ihren Alltag gerade bestimmen. Sie nutzt eher die systemische Therapie, und gelegentlich sprechen wir über das Körperbild – denn es ist klar, dass wir immer noch in einer gewichtszentrierten, körperfokussierten Welt leben, in der sich auch meine Klientinnen zurechtfinden müssen und immer wieder justieren dürfen.
Frau S. sagt selbst, dass ihr Körper, ihr Aussehen und auch wie viel sie wiegt, nicht mehr ihren Wert als Frau bestimmt. Sie nimmt keine Körpermessungen vor, sie isst vorwiegend intuitiv. Es gibt keine verbotenen Lebensmittel mehr. Sie ist frei in der Essensgestaltung.
Besonders beeindruckend: Wenn sie besonders gestresst ist und merkt, dass sie weniger ihren Hunger spürt, kann sie trotzdem gut für sich sorgen. Ihr fällt das auf, sie bewältigt den Stress anders als über das Nicht-Essen und kümmert sich dann extra fürsorglich um sich – sie schaut extra, dass sie auch in stressigen Phasen eine ausgewogene Ernährung hat.
Von der jungen Frau, die sich täglich mehrmals wog und schon beim Aufwachen Angst vor dem Essen hatte, zu einer Frau, die ihren Körper respektiert und intuitiv für sich sorgen kann – das zeigt, welche Transformation mit systemischer Arbeit und intuitiver Ernährung möglich ist.
Von der Restriktion zur Vielfalt: der Weg zu intuitivem Essen nach behandelter Essstörung
Frau K. war Ende 30, als sie das erste Mal in meine Beratung kam. Sie ist berufstätig, Mutter und lebt in Partnerschaft. Hinter ihr lagen bereits eine stationäre und ambulante Behandlung ihrer Essstörung – und dennoch war sie nicht frei. Sie hatte verstanden, woher ihre Essstörung kam, welche frühen Verletzungen und Entwicklungstraumata aus ihrer Kindheit sie mit sich trug. Aber Verstehen allein reichte nicht.
Das erlebe ich häufig in meiner Arbeit: Die Erkenntnis, dass Essen als Kind eine Quelle von Trost, Wärme und Zuneigung war, löst nicht automatisch die heutigen Muster auf. Dieses Wissen war unser Ausgangspunkt – der Weg zur Veränderung lag noch vor uns.
Der Preis der Zugehörigkeit
Frau K. erzählte mir von ihrer Jugend: Sie lebte damals in einem Körper, den andere als „zu dick“ bezeichneten. Sie wurde in der Schule gehänselt und gemobbt. Gleichzeitig beschrieb sie sich als lebensfrohen, zielstrebigen Menschen mit Freundschaften und Interessen. Sie war nicht unglücklich – aber sie wollte dazugehören.
Also begann sie abzunehmen. Zahlreiche Diäten folgten, die schließlich von einer Binge-Eating-Störung in eine Magersucht übergingen.
Äußerlich stabil – innerlich gefangen
Als Frau K. zu mir kam, hatte sie sich ein äußerlich stabiles Leben aufgebaut. Sie hatte eine Familie, einen guten Arbeitsplatz, die Dinge schienen geregelt. Innerlich aber führte sie weiterhin ein stark restriktives Essverhalten. Sie versorgte ihren Körper nur unzureichend, was zu körperlichem und emotionalem Leid führte.
Sie beschrieb, wie ausgeschlossen sie sich vom familiären Leben fühlte, wenn alle zusammen aßen und sie wieder Ausreden erfinden musste. Ihre Gedanken kreisten permanent ums Essen – Energie, die sie als Mutter und berufstätige Frau dringend für anderes gebraucht hätte.
Frau K. wusste das alles. Sie wollte es anders. Aber die Angst vor Veränderung war größer.
Die Arbeit beginnt: Muster erkennen
Zu Beginn trafen wir uns etwa alle zwei Wochen. Wir untersuchten zunächst, wie Frau K. ihre Essstörung heute versteht und wie sie ihr Leben und ihre Beziehungen beeinflusst. Gemeinsam beleuchteten wir Beziehungsmuster, die zur Aufrechterhaltung der Essstörung beitrugen.
Dann arbeiteten wir an der sogenannten Diätmentalität – diesem tief verankerten Glaubenssystem, das bestimmt, welche Körper als akzeptabel gelten. Diese Auseinandersetzung löste bei Frau K. auch Wut aus – über die Jahre, die das Thema Essen dominiert hatte, und darüber, was sie als Teenager über ihren Körper gelernt hatte.
Von dort bewegten wir uns weiter zu ihrem Körpergefühl. Mit hypnosystemischen Methoden arbeiteten wir daran, dass Frau K. ihren Körper wieder spüren konnte. In weiteren Schritten lernte sie, Hunger- und Sättigungsgefühle konkreter wahrzunehmen und darauf zu reagieren.
Schließlich erweiterten wir ihre Lebensmittelvielfalt. Für Frau K. bedeutete das jedes Mal einen mutigen Schritt: Ausprobieren, welche Nahrungsmittel sie wirklich braucht und mag, ohne Verbote und ohne „sollte“.
Die tieferen Schichten: Beziehungen und alte Muster
Mit der gesteigerten Nahrungsaufnahme wuchs auch Frau K.s Bereitschaft, über ihre aktuellen Beziehungen zu sprechen – über ihre Partnerschaft, ihre Rolle als Mutter, als Tochter.
Es wurde deutlich, dass viele dieser Beziehungen alten Mustern folgten, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Essstörung beigetragen hatten. Muster wie: Ich muss es allen recht machen. Ich darf keinen Raum einnehmen. Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig.
Unsere gemeinsame Aufgabe besteht darin, behutsam daran zu arbeiten, wie Frau K. diese Beziehungsdynamiken so verändern kann, dass sie für sie erfüllender und authentischer werden. Das ist systemische Arbeit: Nicht nur das Symptom behandeln, sondern das gesamte System verstehen und sich darin neu bewegen zu lernen.
„Ich sehe dich. Ich verstehe, warum du Angst hast. Aber ich kann jetzt für uns sorgen.“
Die Arbeit mit inneren Anteilen
Eine zentrale Erkenntnis für Frau K. war, dass ihre inneren, sehr jungen Anteile – die damals keine andere Lösung hatten, als ein essgestörtes Verhalten zu entwickeln – noch in ihr wirken. Diese Anteile sind nicht verschwunden, nur weil sie erwachsen geworden ist.
Das ist für mich ein Kernstück systemischer Beratung: Frau K. hat gelernt, diese Anteile zu versorgen statt zu bekämpfen. Zunächst mit meiner Unterstützung, zunehmend aber auch selbstständig unter Einbezug ihrer erwachsenen Anteile.
Konkret bedeutet das: Wenn der junge Anteil in ihr Angst vor Zunahme hat, kämpft sie nicht mehr dagegen an. Sie erkennt die Angst an und übernimmt gleichzeitig die Verantwortung: „Ich sehe dich. Ich verstehe, warum du Angst hast. Aber ich kann jetzt für uns sorgen.“
Intuitiver Essen lernen ist ein Prozess
Frau K. ist mittendrin in ihrem Prozess, intuitiver zu essen. Wir erhöhen sukzessive die Nahrungsmittelvielfalt und die Menge, gehen dabei aber behutsam vor, sodass es für sie annehmbar bleibt. Die intuitive Ernährung dient ihr als stabiles Gerüst, das Sicherheit gibt und ermöglicht, neue Beziehungserfahrungen zuzulassen – ohne die Kontrolle oder innere Stabilität zu verlieren.
Sie kommt weiterhin alle zwei bis vier Wochen, um in dieser Sicherheit zu bleiben.
Frau K.s Geschichte zeigt: Heilung braucht Zeit. Es geht nicht darum, schnell „gesund“ zu werden, sondern darum, Schicht für Schicht die alten Muster zu verstehen und neue Wege zu gehen – auch nach Jahren der Essstörung.
Transparenzhinweise: alle drei Beispiele wurden für den Schutz meiner Klientinnen anonymisiert.
Was meine Klientinnen über Ihren Weg mit Intuitiver Ernährung sagen:
„Ich dachte monatelang über jede Mahlzeit nach. Heute esse ich, wonach mir ist – und das ist meist viel ausgewogener als alle meine Diätpläne.“
„Das Erstaunlichste: Ich denke viel weniger ans Essen. Gleichzeitig kamen dann andere Themen auf den Tisch: ich sah, dass meine Ehe dringend in den Fokus gerückt werden musste.“
„Mein Gewicht hat sich stabilisiert. Nicht dort, wo ich es wollte, aber dort, wo sich mein Körper wohlfühlt. Ich merke, wie nicht nur ich mich entspanne, sondern auch meine kleine Tochter essenstechnisch zur Ruhe kommt.“
Emotionales Essen und ständige Gedanken an Essen loswerden?
Mit Intuitiver Ernährung abnehmen?
Die ehrliche Antwort zur Gewichtsfrage
In der Vorbereitung für diesen Blogbeitrag über Erfahrungen mit Intuitivem Essen habe ich gesehen, dass viele nach „Intuitiv essen abnehmen“ in das Suchfeld ihrer Suchmaschine eintippen. Dieser Wunsch ist verständlich – aber das ist ein Missverständnis des Konzepts. Das Original-Konzept der Intuitiven Ernährung, dessen Wirksamkeit durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt ist, ist gewichtsneutral: Es geht nicht ums Abnehmen, sondern um Gesundheit und Wohlbefinden. Drastischer noch: es geht auch darum, Gewicht als Marker für irgendeinen körperlichen Zustand oder eine Bewertung zu verlernen, echte Gesundheitswerte in den Fokus zu nehmen und die eigene genetische Veranlagung für die eigene Körperform akzeptieren zu lernen. Evelyn und Elyse bemühen gerne das Bild einer Schuhgröße: Keine Frau mit Schuhgröße 39 würde sich eine Lebensaufgabe daraus machen, irgendwann in Schuhgröße 36 zu passen.
Was mit dem Körpergewicht mit einem intuitiven Essverhalten passieren kann:
- Manche Menschen nehmen ab (besonders nach Jahren des Überessens, häufig auch emotionalen Essens)
- Manche nehmen zu (besonders nach chronischen Diäten, Formen von Magersucht)
- Viele erleben kaum eine Gewichtsveränderung
- Die allermeisten stabilisieren sich in ihrem natürlichen Gewichtsbereich (Set-Point-Theorie)
- Alle gewinnen an Lebensqualität
- Die Dauer des Prozesses – körperlich wie seelisch – ist höchst individuell
Häufige Fragen zu Intuitivem Essen
"Wie lange dauert es, bis ich intuitiv esse?"
Die ehrliche Antwort: Das ist sehr individuell. Manche spüren schon nach Wochen erste Veränderungen, andere brauchen mehrere Monate um Veränderungen zu spüren.
Wichtig: Es ist kein Ziel, das Sie erreichen, sondern ein lebenslanger Prozess des Sich-Kennenlernens.
"Kann ich intuitiv essen und trotzdem abnehmen?"
Diese Frage verrät, dass Sie noch im Diätdenken verhaftet sind. Intuitives Essen bedeutet, das Abnehmen als primäres Ziel loszulassen. Gleichwohl sch das Körpergewicht natürlich verändern kann, wenn sich Ihre Einstellungen, Haltungen und Gewohnheiten ändern.
"Was ist mit gesundheitlichen Einschränkungen?"
Menschen mit Diabetes, Bluthochdruck etc. können trotzdem intuitiv essen lernen – oft sogar mit besseren Gesundheitswerten. Die medizinischen Erfordernisse werden dann Teil der „sanften Ernährung“. Wichtig ist, auch eine vertrauensvolle medizinische Begleitung dafür zu finden.
Noch ein Wort zu "Intuitiv essen vorher-nachher" Warum ich keine Vorher-Nachher-Bilder zeige
Leider zeigen vor allem auf bildbasierten Plattformen wie Instagram Influencer, aber auch Coaches solche Vorher-Nachher-Bilder, die eine körperliche Veränderung beweisen sollen – meist von dick nach dünn. Solche Bilder perpetuieren die Botschaft, dass der Wert eines Ansatzes an der optischen Veränderung messbar ist. Das widerspricht dem Kern des intuitiven Essens und muss als unseriös bewertet werden.
Die wirklichen Vorher-Nachher-Unterschiede sehen Sie nicht auf Fotos:
- Weniger Gedanken ans Essen
- Mehr Energie für andere Lebensbereiche
- Bessere Beziehungen (weniger Kontrolle, mehr Präsenz)
- Höhere Stressresistenz
- Mehr Selbstakzeptanz
💌 Intuitiv Essen, Körperakzeptanz und Selbstwert: zum Kennenlernen und dranbleiben
In meinem Info-Letter teile ich rund 2x im Monat systemische Perspektiven auf intuitives Essen. Ich beantworte echte Fragen aus der Community, erläutere Fachinfos aus dem Bereich belastetes Essverhalten und schreibe über alles, was ich über die Befreiung aus dem Diätsystem lerne.
Außerdem bekommen Sie zum Start eine 5-teilige kostenlose E-Mail-Serie, um die Angst zuzunehmen besser zu verstehen:





